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Visualisierung einer Tonspur als Waveform (blassrote Amplituden auf schwarzem Hintergrund).

Claude Lanzmann.
Die Auf­zeichnungen

Ausstellung

Zum 100. Geburtstag von Claude Lanzmann (1925–2018) – dem herausragenden französischen Journalisten, Filmemacher und Chronisten der Schoa – präsentiert das Jüdische Museum Berlin eine Ausstellung, die Geschichte hörbar macht. Zum ersten Mal wird das Audio-Archiv zu Lanzmanns weltberühmtem Dokumentarfilm Shoah (1985) öffentlich zugänglich.

Fr, 28. Nov 2025 bis So, 12. Apr 2026

Übersichtsplan mit allen Gebäuden, die zum Jüdischen Museum Berlin gehören. Der Libeskind-Bau ist grün markiert

Wo

Libeskind-Bau EG, Eric F. Ross Galerie
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin

Die Sammlung Lanzmann umfasst 152 bisher unbekannte Audiokassetten. Sie dokumentieren die zahlreichen Gespräche, die Lanzmann und seine Assistentinnen Corinna Coulmas und Irena Steinfeldt-Levy in den 1970er Jahren während einer mehrjährigen Recherchephase vor Beginn der Dreharbeiten führten – mit Überlebenden, Tätern und Dritten. Zusammen mit dem Film, der vor 40 Jahren Geschichte schrieb, zählt das Archiv seit 2023 zum UNESCO-Weltkulturerbe. 

Shoah ist nicht nur ein Meilenstein der Filmgeschichte – es ist ein eindringliches, unverzichtbares Zeugnis von der Schoa. Die Sammlung Lanzmann gewährt einen tiefen Einblick in Lanzmanns Arbeitsweise und die Entstehung seines epochalen Werks. Die einzigartigen Tondokumente stehen im Zentrum der auditiv erkundbaren Ausstellung und werden ergänzt durch Objekte, Dokumente und Filmaufnahmen.

AIWA Aufnahmegerät von Claude Lanzmann, Japan, ca. 1970-1979; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr.: 2023/208, Schenkung der Association Claude et Felix Lanzmann, Foto: Roman März

Themen der Ausstellung

Einleitung

Vor vierzig Jahren feierte Shoah in Paris Premiere. Der französische Regisseur Claude Lanzmann hatte zwölf Jahre an diesem Werk gearbeitet. Bis heute ist der über neun Stunden lange Film wegweisend in seiner Darstellung des von den Nazis verübten Völkermords an sechs Millionen Jüdinnen*Juden. Für Shoah führte Lanzmann Interviews mit Überlebenden, Tätern und Zeug*innen und begab sich mit der Kamera auf Spurensuche an die Orte der systematischen Vernichtung. Auf Archivbilder verzichtete er im Film vollständig.

Die Ausstellung lenkt den Blick auf die mehrjährigen Vorbereitungen zu den Dreharbeiten. Während dieser Zeit recherchierte Claude Lanzmann gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen in verschiedenen Ländern und führte zahllose Vorgespräche, die er auf Tonband aufzeichnete. Diese bisher unbekannten Audiomitschnitte vermitteln, mit wie vielen unterschiedlichen Aspekten der Schoa sich der Regisseur beschäftigte, bevor die Vernichtung als Kernthema seines Werks feststand. Gleichzeitig ermöglichen sie einen Einblick in das Erinnern drei Jahrzehnte nach Kriegsende.

Die Sammlung Lanzmann im Jüdischen Museum Berlin umfasst etwa 220 Stunden Tonaufzeichnungen in acht Sprachen. Seit 2023 ist dieser Bestand zusammen mit dem Film Shoah in das Register des UNESCO-Weltdokumentenerbes eingetragen.

Claude Lanzmanns Audio-Archiv; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Roman März

Die Recherchen

“It is an inquiry about the Holocaust.”
„Es ist eine Recherche über den Holocaust.”
(Claude Lanzmann)

In den Aufzeichnungen erklärt Claude Lanzmann sein Filmprojekt und stellt sich gleichzeitig den Fragen seiner Gesprächspartner*innen. Dabei geht es um seine Methoden und Perspektiven, aber ebenso um psychologische Herausforderungen, biographische Motivationen oder finanzielle und organisatorische Rahmenbedingungen.

Fast von Anfang an begleiteten Corinna Coulmas und Irena Steinfeldt-Levy das Projekt. Sie traten als Übersetzerinnen aus dem Deutschen und Hebräischen in Erscheinung, recherchierten zu Personen und Themen und führten Vorgespräche. Im Interview erinnern sie sich an die zehnjährige Zusammenarbeit mit Claude Lanzmann.

Interview mit Corinna Coulmas und Irena Steinfeldt-Levy, geführt von der Ausstellungskuratorin Tamar Lewinsky, mit deutschen und englischen Untertiteln; Jüdisches Museum Berlin, 2025

Ungehörte Stimmen

“You can be perfectly silent in front of the camera.”
„Sie können vor der Kamera absolut still sein.”
(Claude Lanzmann)

Nicht alle der Befragten waren bereit, vor der Kamera zu sprechen. In der Ausstellung sind drei Personen zu hören, die Claude Lanzmann nicht für Dreharbeiten gewinnen konnte. 

Ilana Safran berichtet über ihre Deportation aus den Niederlanden nach Sobibor, die Ankunft im Vernichtungslager und den Häftlingsaufstand. Sie beschreibt auch, wie sie Mitte der 1960er-Jahre als Zeugin im Sobibor-Prozess die Täter identifizieren sollte. 

Der deutsche Bauunternehmer Hermann Gräbe schildert, wie er in der besetzten Ukraine Zeuge von Massenmorden wurde und hunderte Zwangsarbeiter*innen vor dem Zugriff der Nazis schützte. Dabei wurde er von Maria Bobrow unterstützt, die selbst als Zwangsarbeiterin in seiner Firma eingesetzt war.

Die Täter

„Nee, das ist erledigt für mich!“
(Richard Otto Horn)

Claude Lanzmann war zu einem frühen Zeitpunkt klar, dass er für seinen Film auch Täter befragen wollte. Deshalb fahndete er in Deutschland nach hochrangigen Funktionären, nach denjenigen, die den Massenmord umsetzten, aber auch nach Bürokraten, Profiteuren sowie Zeugen aus den Nachkriegsprozessen.

Der Regisseur und seine Mitarbeiterinnen suchten die Täter ohne Vorankündigung an ihren Wohnorten auf. In vielen Fällen endete das Gespräch bereits an der Tür. Wurden sie eingelassen, blieb das Aufnahmegerät in der Tasche verborgen. Die Täter, sofern sie zu sprechen bereit waren, verstrickten sich in Rechtfertigungen, Schutzbehauptungen, Schuldabwehr und Entlastungsaussagen.

Die Schoa in Litauen

“.לדבר על הגטו אני לא יכול”
„Über das Ghetto kann ich nicht sprechen.“
(Avrom Sutzkever)

Bereits zu Beginn seiner Recherchen beschäftigte sich Claude Lanzmann intensiv mit dem Mord an den litauischen Jüdinnen*Juden. In den Tonaufnahmen bildet sich die Chronologie der mörderischen Ereignisse unter deutscher Besatzung seit Sommer 1941 ab. Die Zeitzeug*innen berichten über Pogrome, verübt durch die lokale Bevölkerung. Sie sprechen über die Massaker der SS-Einsatzgruppen im IX. Fort in Kovne und im Wald von Ponar bei Vilne: Diese mobilen Tötungseinheiten ermordeten im ersten Halbjahr drei Viertel der jüdischen Bevölkerung. In den Gesprächen versuchen die Überlebenden auch Worte zu finden für das Leben in den Ghettos von Kovne, Shavli und Vilne – Kaunas, Šiauliai und Vilnius. Im Film fehlt das Thema fast ganz.

Erste Reise nach Polen

« C'était une marche macabre. »
„Es war ein Totenmarsch.“ 
(Andrzej Modrzewski)

Die erste Reise nach Polen war von entscheidender Bedeutung für Claude Lanzmanns Auseinandersetzung mit dem Mord an den europäischen Juden. Er hatte sie bis zum Ende seiner Recherchen hinausgezögert. Als er sich Anfang 1978 an die Orte der Verfolgung und Vernichtung begab, war sein Kopf voll mit Wissen aus Büchern, Akten und zahllosen Gesprächen. Die Gegenwärtigkeit der Geschichte, mit der er in Polen konfrontiert war, traf ihn mit unerwarteter Wucht. Die dort entstandenen Tonaufnahmen dokumentieren nicht nur die Gespräche mit Zeitzeugen, sondern auch Lanzmanns Eindrücke von den Ortsbegehungen. Noch im selben Jahr kehrte Claude Lanzmann nach Polen zurück und begann mit den Dreharbeiten für Shoah.

Audio und Film

„To się nie da bezboleśnie zrobić.“
„Das geht nicht ohne Schmerz.“
(Jan Piwoński)

Nur wenige Personen sind sowohl in den Audiomitschnitten als auch in Shoah oder dem umfangreichen Rohmaterial zum Film zu finden: Die Interviewsequenzen mit Jan Piwoński am Bahnhof von Sobibór nehmen eine wichtige Rolle in Shoah ein. Leon Kantarowski tritt kurz in einer Szene vor der Kirche in Chełmno in Erscheinung, wo er als Organist tätig war. Für Shoah nicht verwendet wurden die Filmaufnahmen mit Tadeusz Pankiewicz, dem nichtjüdischen Apotheker im Ghetto von Krakau. Auch das Interview mit Hillel Kook, in dem er der amerikanischen Regierung vorwirft, sie habe sich nicht für die Rettung der europäischen Jüdinnen*Juden eingesetzt, ist nur im Rohmaterial zu finden.

Einblicke und Ausblicke

In den Audioaufnahmen bildet sich nur ein Teil der jahrelangen Vorarbeiten zum Film Shoah ab. Nicht immer lief bei den Gesprächen ein Aufnahmegerät mit. Im Privatarchiv von Claude Lanzmann finden sich Briefe, Listen, Notizen und Karteikarten aus dieser Recherchezeit, die weitere Einblicke in die praktische Arbeit des Regisseurs und seiner Mitarbeiterinnen geben. 

Für einen vertieften Einstieg in die Sammlung Lanzmann werden die Interviews aus der Ausstellung auf der Online-Plattform Oral-History.Digital (OH.D) in voller Länge transkribiert, übersetzt und kontextualisiert angeboten. Diese digitale Edition wird kontinuierlich erweitert und bis Ende 2027 vollständig verfügbar sein. Für die Nutzung von OH.D ist eine Registrierung erforderlich.

Screenshot der Benutzeroberfläche der Sammlung Lanzmann in der Online-Plattform Oral-History.Digital (OH.D)

Die Gesprächspartner*innen

Hier finden Sie die Kurzbiografien aller Personen, denen Sie in der Ausstellung als Gesprächspartner*innen von Claude Lanzmann begegnen:

Yitzhak Arad (1926–2021)

Yitzhak Arad wurde als Isaak Rudnicki in Święciany (heute Švenčionys, Litauen) geboren. Er war Mitglied der zionistischen Jugendbewegung Ha-Noar ha-Zioni. In Warschau besuchte er ein jüdisches Gymnasium. Nach dem Überfall auf Polen 1939 gelang ihm mit seiner Schwester die Flucht zurück in seine Geburtsstadt. Dort erlebte er im Sommer 1941 die Errichtung des Ghettos. Er wurde in der Untergrundbewegung aktiv und konnte im Februar 1943 flüchten. Er schloss sich sowjetischen Partisan*innen an und kämpfte mit ihnen bis Kriegsende in Weißrussland. 1945 gelangte er illegal ins Mandatsgebiet Palästina, wurde Mitglied der Palmach und kämpfte im Unabhängigkeitskrieg. In der israelischen Armee stieg er bis zum Brigadegeneral auf. Arad war Dozent für Jüdische Geschichte an der Tel Aviv Universität und von 1972 bis 1993 Vorsitzender des Direktoriums von Yad Vashem. Er blieb der Institution bis zu seinem Lebensende eng verbunden. In seinen zahlreichen Publikationen beschäftigte er sich besonders mit den Vernichtungslagern der Aktion Reinhardt und mit dem Holocaust in der Sowjetunion. Arad starb im Alter von 94 Jahren in Tel Aviv.

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Maria Bobrow (1909–2000)

Maria Rozalia Bobrow-Levy wurde als Rozalia „Rosa“ Kavenocki (Kaven) in Łódź (Polen) geboren. Sie studierte Pädagogik in Warschau und arbeitete als Lehrerin. Nach dem deutschen Einmarsch flüchtete sie mit ihrem Ehemann nach Sdolbunow (heute Sdolbuniw, Ukraine) im sowjetisch besetzten Osten Polens. Ihr Mann wurde dort nach dem deutschen Einmarsch im Sommer 1941 von der Einsatzgruppe C erschossen. Ab Herbst 1941 war sie Zwangsarbeiterin bei der Firma Josef Jung, die von Hermann Friedrich Gräbe geleitet wurde. Zusammen mit Gräbe und anderen rettete sie mehrere Hundert Jüdinnen*Juden vor der Deportation. Sie tarnte sich als katholische Polin und führte den Namen Maria Warchiwker. Im Januar 1944 flüchtete sie zusammen mit Gräbe und etwa 100 Zwangsarbeiter*innen in den Westen Deutschlands, später nach Belgien und Frankreich. Nach Kriegsende arbeitete sie in Wiesbaden und Augsburg für die Dokumentation der Nürnberger Prozesse. Im April 1947 emigrierte sie in die USA. Zunächst lebte sie in New York, wo sie in einem Krankenhaus tätig war. 1953 heiratete sie Jack Bobrow. 1964 zog sie nach Florida. Nach dem Tod ihres zweiten Ehemannes 1984 heiratete sie Victor Levy. Sie starb im Jahr 2000 in ihrem Zuhause in Surfside, Florida.

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Ulrich Brand (1909–?)

Ulrich Brand wurde in Berlin-Wilmersdorf geboren. Der Jurist trat 1933 der NSDAP bei und war von 1933 bis 1939 SA-Sturmmann. Seit 1938 war er bei der Deutschen Reichsbahn tätig. Zwischen 1943 und 1945 arbeitete er als Personaldezernent bei der Reichsbahndirektion Oppeln, in deren Zuständigkeit auch die Transporte in das Vernichtungslager Auschwitz lagen. Im Prozess gegen Albert Ganzenmüller, den ehemaligen Staatssekretär im Reichsverkehrsministerium, wurde er in den 1970er-Jahren als Zeuge befragt.

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Szymon Datner (1902–1989)

Szymon Datner wurde in Krakau geboren. Er studierte Rechtswissenschaften und Geschichte in Krakau und promovierte 1927 in Anthropologie. Von 1922 bis 1929 arbeitete er an jüdischen Schulen in Krakau, Kielce, Pinsk und Białystok, wohin er schließlich zog. 1941 wurde er dort mit seiner Familie ins Ghetto gezwungen. Er schloss sich der Untergrundorganisation an und kämpfte nach seiner Flucht in verschiedenen Partisaneneinheiten. Seine erste Frau und beide Töchter kamen im Ghetto um. Von 1944 bis 1946 war Datner Vorsitzender des Komitees der polnischen Jüdinnen*Juden in Białystok und begann mit der Erforschung der Schoa. Von 1948 bis 1953 arbeitete er für das Jüdische Historische Institut (ŻIH) in Warschau und von 1956 bis 1968 für die Hauptkommission für die Erforschung nationalsozialistischer Verbrechen in Polen. Während der politischen Krise wurde er 1968 gezwungen, seine Ämter niederzulegen, konnte diese jedoch später wieder übernehmen. Von 1969 bis 1970 war er Leiter des ŻIH. Er starb in Warschau.

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Kurt Eisfeld (1904–?)

Kurt Eisfeld wurde in Gröningen geboren, wo er auch die Schule besuchte. Nach dem Abitur in Halberstadt studierte er Chemie in Jena und promovierte dort. Ab 1929 war er bei der I.G. Farbenindustrie AG (kurz I.G. Farben) beschäftigt. Bis 1935 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Werk Hoechst, und wechselte dann in den Hauptsitz des Konzerns in Frankfurt am Main. Zwischen 1938 und 1941 war er bei der I.G. Farben Ludwigshafen als Betriebsleiter tätig. Als Handlungsbevollmächtigter für Planungsarbeiten reiste er mehrfach nach Polen, um den Standort für ein weiteres Werksgelände zu finden: Buna-Monowitz (Auschwitz III). Im Arbeitslager war er zuletzt als technischer Direktor einer Fabrikationsabteilung tätig. Eisfeld war seit 1933 Mitglied der NSDAP und von 1933 bis 1938 der SS. Nach Kriegsende verdingte er sich als Landarbeiter. Er war Zeuge bei den I.G. Farben-Prozessen, saß aber selbst nie auf der Anklagebank.

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Lothar Fendler (1913–1988)

Lothar Fendler wurde im heutigen Wrocław (Polen) geboren. Von 1932 bis 1934 studierte er Zahnmedizin, trat 1933 in die SS ein und leistete von 1934 bis 1936 Dienst in der Wehrmacht. Ab 1936 war er Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts des Reichsführers SS (SD) in Breslau, Olmütz und Berlin. 1937 trat er der NSDAP bei und stieg bis Ende 1940 zum SS-Hauptsturmführer auf. Von Juni bis Anfang Oktober 1941 war er stellvertretender Führer des Sonderkommandos 4b der Einsatzgruppe C im Angriffskrieg gegen die Sowjetunion und Verbindungsoffizier des Einsatzkommandos zur Wehrmacht. Nach Kriegsende arbeitete er auf einem Bauernhof in Bayern. Er wurde im November 1945 verhaftet und im neunten Nürnberger Nachfolgeprozess zu den Einsatzgruppen im Jahr 1948 zu zehn Jahren Haft verurteilt. 1951 wurde er vorzeitig entlassen. Verstorben in Stuttgart.

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Anushka Freiman (1918–1999)

Anushka Freiman, geborene Anja Schmidt, kam in Ponevezh (heute Panevėžys, Litauen) zur Welt. Sie studierte und arbeitete in Kowno (Kaunas), wo sie 1940 den Cellisten Misha Shenkor heiratete. 1941 wurde sie ins Ghetto gezwungen. Im November 1942 kam die Tochter zur Welt. Im Oktober 1943 wurde sie von Mann und Kind getrennt und in den Lagerkomplex Vaivara/Klooga in Estland deportiert, von dort nach Stutthof und schließlich in die Munitionsfabrik Ochsenzoll bei Hamburg. Ihre Tochter wurde in Auschwitz ermordet, ihr Ehemann starb 1945 nach der Befreiung in einem Außenlager von Stutthof an Typhus. Nach Kriegsende arbeitete Freiman als Übersetzerin im DP-Lager Bergen-Belsen und wurde Sekretärin der britischen Pioneer and Civil Labour Unit in Gifhorn. Sie wanderte zu ihren Brüdern nach Johannesburg aus und wurde im South African Jewish Board of Deputies aktiv. Um 1966 emigrierte sie mit ihrem zweiten Ehemann und ihren Kindern nach Israel. Sie engagierte sich in Yad Vashem und war 1981 Mitorganisatorin der ersten „World Gathering of Holocaust Survivors“ in Jerusalem.

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Shlomo Gol (1907–1986)

Shlomo (Szloma) Gol wurde in Kowno (heute Kaunas, Litauen) geboren. Er studierte in einer Jeschiwa in Wilna (Vilnius). Seit dem Sommer 1941 war er dort im Ghetto, bevor er im Dezember 1943 nach Ponar (Ponary) deportiert und gezwungen wurde, die Leichen der Massaker aus dem Massengrab zu verbrennen. Am 15. April 1944 gelang ihm die Flucht durch einen Tunnel, den er zusammen mit Mithäftlingen gegraben hatte. Er verfasste einen schriftlichen Bericht über seine Erfahrungen. Gol schloss sich den jüdischen Partisan*innen unter dem Kommando von Abba Kovner an. 1944 heiratete er Sara Shtok, geborene Joffe. 1946 trat er als Zeuge im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher auf. Von 1946 bis 1949 lebte er mit seiner Frau im DP-Lager Feldafing, wo auch der gemeinsame Sohn Abraham geboren wurde. 1949 wanderte die Familie nach Israel aus, 1962 folgte der Umzug nach Jacksonville (USA).

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Sara Gol (1914–2003)

Sara Gol wurde in Wilna (heute Vilnius, Litauen) geboren als Tochter von Abraham und Minuche Joffe. Vor Kriegsausbruch lebte sie dort mit ihrem ersten Ehemann und vier Kindern. Ihr Baby wurde bei einem Luftangriff getötet, ihr zweiter Sohn starb mit wenigen Monaten, ihr Ehemann an Tuberkulose. Eine Tochter überlebte das Ghetto nicht. Sara Gol wurde 1944 zusammen mit ihrer Tochter Rachel befreit. Sie heiratete Shlomo Gol und über Łódź, Berlin und München kamen die drei ins DP-Lager Feldafing, wo der gemeinsame Sohn Abraham geboren wurde. In Feldafing machte Sara Gol eine Ausbildung zur Schneiderin. Nach der Auswanderung nach Israel 1949 ließ sich die Familie in der Nähe von Tel Aviv nieder. 1962 folgte der Umzug nach Jacksonville (USA).

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Hermann Friedrich Gräbe (1900–1986)

Hermann Friedrich Gräbe wurde in Gräfrath bei Solingen geboren. Mit seiner Ehefrau Elisabeth Stader hatte er einen gemeinsamen Sohn, Friedel. 1931 bis 1934 war er Mitglied in der NSDAP. Seit 1938 war Gräbe als Ingenieur bei der Baufirma Josef Jung angestellt. Ab Oktober 1941 baute er, beauftragt von der Reichsbahnverwaltung, eine Außenstelle der Firma in Sdolbunow (heute Sdolbuniw, Ukraine) auf. Im November 1941, Juli 1942 und Oktober 1942 wurde er Augenzeuge von Massakern der SS-Einsatzgruppen in Rowno und Dubno. In der Folge begann er gezielt jüdische Arbeitskräfte anzustellen, um sie vor Verfolgung zu schützen. Sukzessive richtete er Scheinfilialen in Wolhynien und Poltawa ein, um weitere Leben zu retten. Er wurde dabei von Maria Bobrow unterstützt. Im Januar 1944 evakuierte er um die 100 Zwangsarbeiter*nnen aus Sdolbunow über Warschau bis in die Eifel. Bei den Nürnberger Prozessen war er Tatzeuge für die Anklage. In der BRD massiv angefeindet, emigrierte die Familie nach Kalifornien. 1954 erlangte Gräbe die US-Staatsbürgerschaft und nannte sich Herman Frederick Graebe. In den 1960er-Jahren gab es ein Meineidsverfahren gegen ihn sowie Verleumdungsartikel im Spiegel. 1965 wurde Gräbe durch Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt. Verstorben in San Francisco.

Zur Liste mit allen Gesprächspartner*innen

Otto Horn (1903–1999)

Richard Otto Horn wurde in Obergrauschwitz (Sachsen) geboren. Er absolvierte eine Ausbildung zum Krankenpfleger und war in der Heilanstalt Arnsdorf tätig. 1937 trat er der NSDAP bei. 1939 war er als Wehrmachts-Sanitäter in Polen und Frankreich eingesetzt. Im Sommer 1941 wurde er aus dem Militärdienst entlassen und in die Tötungsanstalt Sonnenstein versetzt, wo er an der „Aktion T4“ beteiligt war. Als SS-Unterscharführer war er ab Oktober 1942 Aufseher des Grubenkommandos in Treblinka. Nach dem Aufstand im Vernichtungslager im September 1943 kehrte er nach Arnsdorf zurück. Er wurde kurzzeitig nach Triest zur Sonderabteilung Einsatz R versetzt, die für die Deportation und Vernichtung von Jüdinnen*Juden verantwortlich war. Bei Kriegsende geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Seit Ende 1946 arbeitete er als Krankenpfleger in Berlin. Seine Anklage im ersten Treblinka-Prozess endete 1965 mit einem Freispruch. 1987 war Horn Zeuge im Demjanjuk-Prozess.

Zur Liste mit allen Gesprächspartner*innen

Władysław Janicki (1903–1984)

Władysław Janicki wurde in Warschau als Sohn eines Eisenbahningenieurs geboren. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Warschau und war anschließend von 1931 bis 1932 Richter am Bezirksgericht in Siedlce. Seit 1932 war er dort als Rechtsanwalt tätig. Während der Okkupationszeit arbeitete Janicki mit dem polnischen Untergrund zusammen. 1941 wurde er verhaftet und gemeinsam mit weiteren Personen zum Tode verurteilt. Nach Zahlung einer der Stadt Siedlce auferlegten Zwangsabgabe wurde er freigelassen. 1942 wurde er Augenzeuge der Liquidierung des Ghettos in Siedlce. Nach dem Krieg beteiligte er sich an der Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen in Polen. Er ist der Vater von Barbara Janicka, die in Shoah als Übersetzerin in Erscheinung tritt. Verstorben in Warschau.

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Leon Kantarowski (Lebensdaten unbekannt) 

Leon Kantarowski war Organist in der Kirche von Chełmno. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er in den Wäldern.

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Hillel Kook (1915–2001)

Hillel Kook wurde in Kriukai (heute Litauen) als Sohn des Rabbiners Dov Kook geboren. Sein Onkel Isaac Kook war der erste aschkenasische Oberrabbiner im britischen Mandatsgebiet Palästina. Er emigrierte 1925 mit seiner Familie nach Jerusalem. In den 1930er-Jahren wurde er in paramilitärischen zionistischen Organisationen aktiv, trat der Irgun-Bewegung des revisionistischen Zionisten Vladimir Ze’ev Jabotinsky bei. 1937 wurde Kook von der Irgun nach Polen geschickt, um die jüdische Emigration nach Palästina zu organisieren. Er nahm das Pseudonym Peter Bergson an. 1940 begleitete er Jabotinsky in die USA und rief 1941 das Committee for a Jewish Army of Stateless and Palestinian Jews mit ins Leben. 1942 gründete er das Emergency Committee to Save the Jewish People of Europe, das dazu beitrug, das im Januar 1944 das amerikanische War Refugee Board eingerichtet wurde. 1948 nahm er wieder den Namen Kook an und kehrte nach Israel zurück. Zwischen 1949 und 1951 gehörte er der ersten Knesset an. Von 1951 bis 1968 lebte er erneut in den USA. Er starb in Kfar Shmaryahu, Israel.

Zur Liste mit allen Gesprächspartner*innen

Erich Kulka (1911–1995)

Erich Kulka wurde als Erich Schön im mährischen Vsetín geboren. Seine Eltern waren Malvina and Siegbert Schön. Wegen seiner Widerstandsaktivitäten wurde er im Juli 1939 von der Gestapo verhaftet und in Brünn (heute Brno, Tschechien) inhaftiert. Von dort wurde er in die Konzentrationslager Dachau, Sachsenhausen, Neuengamme und im November 1942 schließlich nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Während der „Evakuierung” durch die SS im Januar 1945 flüchtete er gemeinsam mit seinem 12-jährigen Sohn. Nach dem Krieg nahm er den Familiennamen seiner ersten Frau Elly Kulka an, die 1945 in Stutthof umgekommen war. 1946 verfasste er zusammen mit Ota Kraus das erste dokumentarische Buch über das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Als Schriftsteller, Publizist und Historiker beschäftige er sich mit der Schoa und besonders mit der Verfolgung der tschechoslowakischen Jüdinnen*Juden. Er war Zeuge bei Kriegsverbrecherprozessen in Polen 1946/1947 und bei den Auschwitz-Prozessen in Frankfurt in den 1960er-Jahren. 1968 emigrierte er aus der Tschechoslowakei nach Israel. Verstorben in Jerusalem.

Zur Liste mit allen Gesprächspartner*innen

Andrzej Modrzewski (1903–1993)

Andrzej Modrzewski wurde in Lublin (Polen) geboren. 1920 war er Freiwilliger im Polnisch-Sowjetischen Krieg. Er studierte Rechtswissenschaft in Lublin. Als Mitbegründer der Studentenverbindung Concordia übernahm er dort verschiedene Leitungsfunktionen. Nach seinem ersten Abschluss setzte er 1926/27 sein Studium in Nancy und an der Sorbonne in Paris fort. Nach mehrjähriger Tätigkeit am Lehrstuhl für Zivilrecht an der Katholischen Universität Lublin ließ er sich als Rechtsanwalt nieder. Er nahm am Verteidigungskrieg gegen Deutschland teil und wurde im November 1939 verhaftet und für mehrere Wochen im Schloss Lublin inhaftiert. Nach 1945 war er wieder als Anwalt in Lublin tätig.

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Tadeusz Pankiewicz (1908–1993)

Tadeusz Pankiewicz wurde in Sambor (heute Sambir, Ukraine) geboren. Er war der Sohn eines Apothekers und absolvierte 1927 sein Abitur in Podgórze. 1930 schloss er sein Pharmaziestudium in Krakau ab und war anschließend in der Apotheke seines Vaters „Pod Orłem“ am Plac Zgody (heute Plac Bohaterów Getta) tätig, die er ab 1934 führte. Von 1941 bis 1943 war er als einziger Nichtjude mit Sondergenehmigung im Krakauer Ghetto wohnhaft und tätig. Er bot den Ghettobewohner*innen vielfältige Hilfe und seine Apotheke wurde zu einem Zentrum von Untergrundaktivitäten. Während der Deportationen unterstützte er die Menschen mit Arznei- und Lebensmitteln und versteckte sie in der Apotheke. 1942 war er selbst von Deportation bedroht. Nach 1945 leitete er verschiedene Apotheken in Krakau. Seit 1951 war er mehrfach Zeuge in Prozessen gegen NS-Täter in Polen und Deutschland. 1983 wurde er als „Gerechter unter den Völkern” ausgezeichnet. In seiner ersten Apotheke im Krakauer Ghetto wurde ein Museum eingerichtet.

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Dr. Wulf Pessachowitz (verm. 1907–2000)

Dr. Wulf Pessachowitz wurde im litauischen Šiauliai geboren. 1930 schloss er sein Medizinstudium in Prag ab. 1937 kehrte er nach Šiauliai zurück. Im Sommer 1941, nach dem Einmarsch der Deutschen in Litauen, wurde er ins Ghetto gezwungen. Dort leitete er das Krankenhaus. Als die Nazis im August 1942 Geburten im Ghetto verboten, musste Pessachowitz Abtreibungen durchführen. 1944 wurde er in das Konzentrationslager Stutthof deportiert und von dort nach Dachau. Nach der Befreiung ging er nach München, wo er im UNRRA-Krankenhaus für NS-Verfolgte tätig wurde. Er emigrierte in die USA und wurde Arzt am Mount Sinai Krankenhaus in New York. In den USA änderte er seinen Namen zu William Pace. Er verstarb in New York.

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Jan Piwoński (1924–1989)

Jan Piwoński wurde in Żłobek, einem Dorf bei Sobibór, geboren. Im Frühjahr 1942 arbeitete er in der Gleiswartung, ab Juli 1942 war er Hilfsweichensteller am Bahnhof von Sobibór im deutsch besetzten Polen. Seit 1944 diente er bei den polnischen Streitkräften. Nach dem Krieg studierte er Geschichte und schrieb eine Abschlussarbeit mit Schwerpunkt Vernichtungslager Sobibor. Er wurde bei einer Nachstellung der Verbrechen befragt und war in den 1960er- und 1970er-Jahren Zeuge bei Prozessen in Wrocław, Włodawa, Lublin und Warschau. Bis zu seinem Tod lebte er in Okuninka in der Nähe von Włodawa.

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Berek Rojzman (1912–1995)

Berek Rojzman wurde in Nadarzyn in der Nähe von Warschau geboren. Während der Deportationen aus dem Warschauer Ghetto gelang ihm im Juli 1942 die Flucht nach Biała Rawska. Von dort wurde er ins Vernichtungslager Treblinka deportiert. Er entging der Vergasung, weil ein Bekannter ihn in einem Kleiderhaufen versteckte. In Treblinka gehörte er einem Sortierkommando an. Als Mitglied der Untergrundbewegung gelang ihm beim Lageraufstand 1943 die Flucht. Bis zur Befreiung lebte er versteckt in einem Wald in der Gegend von Otwock. Nach Kriegsende blieb er in Polen, heiratete und ließ sich in Międzylesie in der Nähe von Warschau nieder.

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Ilana Safran (1926–1985)

Ilana Safran wurde als Ursula Stern in Essen geboren. Sie war die Tochter von Albert Stern und Anna Rosa Schönenberg. 1933 wanderte die Familie nach Epe (Niederlande) aus. Nach Beginn der deutschen Besetzung 1940 lebte sie im Versteck. Im Januar 1943 wurde sie inhaftiert und über das Gefängnis Wolvenplein in Utrecht und das Konzentrationslager Herzogenbusch in Vught ins Durchgangslager Westerbork deportiert. Am 6. April 1943 wurde sie ins Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen deportiert. Sie leistete Zwangsarbeit in den Sortierbaracken, im sogenannten Waldkommando und im Munitionslager. Während des Häftlingsaufstands am 14. Oktober 1943 gelang ihr die Flucht in die umliegenden Wälder. Sie schloss sich den Partisan*innen an. Nach Kriegsende kehrte sie zunächst in die Niederlande zurück, bevor sie nach Israel emigrierte. Mit ihrem Ehemann Zwi Safran, geboren als Horst Martin Buchheimer, bekam sie zwei Kinder. 1965 war sie Tatzeugin im Sobibor-Prozess am Landgericht Hagen. Gestorben in Aschkelon, Israel.

Zur Liste mit allen Gesprächspartner*innen

Avrom Sutzkever (1913–2010)

Avrom (Abraham) Sutzkever war ein jiddischer Dichter und Schriftsteller. Er wurde in Smorgon (heute Smorhon, Belarus) geboren. Während des Ersten Weltkrieg lebte seine Familie im sibirischen Omsk und seit 1921 in Wilna (Vilnius). Seit 1933 war er Mitglied der Schriftstellergruppe Yung-Vilne. Erste Gedichtsammlungen erschienen in Warschau und Wilna. 1939 heiratete er Freydke Levna. Im Ghetto schloss er sich dem Widerstand an und schrieb weiter. Im September 1943 gelang die Flucht zu den Partisan*innen. Sutzkever und seine Frau wurden vom Jüdischen Antifaschistischen Komitee nach Moskau gebracht, wo er an Ilya Ehrenburgs Schwarzbuch mitarbeitete. Nach dem Krieg war er Zeuge bei den Nürnberger Prozessen. 1946, nach der Geburt der Tochter Rina, ging die Familie nach Polen, Frankreich und 1947 schließlich nach Palästina. Sutzkever war Gründer und Herausgeber der Zeitschrift Di goldene keyt (1949–1995) und publizierte zahlreiche weitere Werke. Verstorben in Tel Aviv, Israel. 

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Edmund Veesenmayer (1904–1977)

Edmund Veesenmayer war ein deutscher Diplomat und SS-Führer. Geboren in Bad Kissingen, studierte er in München und wurde Dozent für Wirtschaftswissenschaften. 1932 trat er der NSDAP und zwei Jahre später der SS bei. Als politischer Drahtzieher war er 1938 maßgeblich am „Anschluss“ Österreichs beteiligt und 1939 an der Zerschlagung der Tschechoslowakei. Im Dienst des Auswärtigen Amts wurde er kurz vor dem Einmarsch der Deutschen nach Zagreb versetzt und spielte eine wichtige Rolle in der Verfolgung der kroatischen und serbischen Jüdinnen*Juden. Seit März 1944 war er Gesandter und Reichsbevollmächtigter in Ungarn. In dieser Funktion war er an der Deportation der ungarischen Jüdinnen*Juden nach Auschwitz beteiligt. 1949 wurde er im sogenannten Wilhelmstraßenprozess in Nürnberg zu 20 Jahren Haft wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. 1951 wurde er vorzeitig entlassen. Von 1952 bis 1955 war er Handelsvertreter in Iran, später ließ er sich in Darmstadt nieder.

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Jacob Werbin (1918–1994)

Jacob (Yankel) Werbin wurde als Jacob Werbovski als Sohn von Nachum Mordechai Werbovski and Yente Kahn in Okmyany (heute Akmenė, Litauen) geboren. Er war verheiratet mit Pauline (Pese) Werbin, geborene Yankelewitz. Im Ghetto von Kowno (Kaunas), das im Sommer 1941 eingerichtet wurde, war er bei der Torwache eingesetzt. Am 8. Juli 1944 gelang ihm gemeinsam mit seiner Frau die Flucht während der Liquidierung des Ghettos. Nach dem Krieg wurde er von den Sowjets in Litauen inhaftiert und 1945 wieder freigelassen. Im November 1949 emigrierte er mit seiner Frau in die USA und lebte seit 1951 in Kalifornien. Verstorben in New York.

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Pauline Werbin (1917–2010)

Pauline (Pese) Werbin wurde als Tochter von Chaim Yankelewitz und Fruma Meltzer in Šeta (Litauen) geboren. Sie war verheiratet mit Jacob (Yankel) Werbin. Im Juli 1941 wurde sie ins Ghetto von Kowno (Kaunas) deportiert. Am 8. Juli 1944 gelang ihr gemeinsam mit ihrem Mann die Flucht während der Liquidierung des Ghettos. Im November 1949 emigrierte sie mit ihrem Mann in die USA und lebte seit 1951 in Kalifornien. Verstorben in New York.

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Karl Wolff (1900–1984)

Karl Wolff wurde in Darmstadt als Sohn eines Landgerichtsrats geboren. Nach dem Notabitur 1917 meldete er sich zum Kriegsdienst. Er machte eine Banklehre in Frankfurt am Main, gründete später in München eine Werbeagentur. 1931 trat Wolff der NSDAP und der SS bei. Ab 1933 war er NSDAP-Reichstagsabgeordneter. Seit 1934 war er Chefadjutant Heinrich Himmlers und ab 1936 Chef des Persönlichen Stabes des Reichsführers SS. Mit Kriegsbeginn war er SS-Verbindungsoffizier zum Führerhauptquartier. Als SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS war Wolff ab 1943 höchster SS- und Polizeiführer in Italien und unter anderem verantwortlich für die sogenannte Partisanenbekämpfung. 1945 war er in geheime Verhandlungen mit den Westalliierten über einen Waffenstillstand in Italien eingebunden. Nach Kriegsende wurde er interniert und war Zeuge in den Nürnberger Prozessen. 1949 wurde er zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, die Strafe galt aber als abgegolten. 1962 wurde er erneut verhaftet und 1964 zu 15 Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. 1969 wurde er krankheitsbedingt vorzeitig entlassen. Verstorben in Rosenheim.

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Editorische Notiz

Die Tonaufnahmen der Sammlung Lanzmann sind nicht zum Zweck der Veröffentlichung entstanden. Vielmehr handelt es sich um Arbeitsmaterial für die Entwicklung des Films Shoah.

Heute gehören die Aufnahmen gemeinsam mit dem Film zum UNESCO-Weltdokumentenerbe „zur Bewahrung des dokumentarischen Erbes der Menschheit“. Damit obliegt uns die Aufgabe, den freien Zugang zu diesen bedeutsamen Tondokumenten zu ermöglichen, zu sichern, zu bewahren und Aufmerksamkeit für die herausragende Bedeutung des Bestands zu schaffen. Dabei war uns wichtig, einen sensiblen Umgang mit den Persönlichkeitsrechten der in den Gesprächsaufnahmen zu hörenden Personen zu finden. Zentraler Bestandteil dessen ist die systematische Rechteklärung für alle Aufnahmen aus der Sammlung Lanzmann.

Neben den zu klärenden gesetzmäßigen Ansprüchen stellen sich in denjenigen Fällen, in denen Personen zu hören sind, die nicht im Film auftreten wollten, zudem ethische Fragen zum Umgang mit den Aufnahmen. Denn der Wunsch, nicht im Film gezeigt zu werden, könnte sich auch weiterhin auf jede zukünftige Öffentlichkeit beziehen. Die Online-Edition, die Zugang zu den vollständigen Tonaufnahmen ermöglicht, wird daher von den Nutzungsbedingungen eines digitalen Audioarchivs flankiert, auf deren Einhaltung sich jede*r Nutzer*in im Vorfeld verpflichtet.

Die Online-Edition Sammlung Lanzmann ist ein im Aufbau befindliches Forschungs- und Erschließungsprojekt, dessen Ergebnisse sukzessive auf der Online-Plattform Oral-History.Digital (OH.D) für die weitere Nutzung freigeschaltet werden. Für sachdienliche Hinweise auf nicht identifizierte Personen oder Inhalte bitten wir um Kontaktaufnahme unter avmedien@jmberlin.de.

Vielen Dank.

Informationen zur Barrierefreiheit in der Ausstellung

Informationen für Besucher*innen mit Blindheit und Sehbehinderungen

  • Es gibt einen deutschsprachigen Audioguide für blinde und sehbehinderte Besucher*innen in der JMB App. Sie können dort die Originaltöne, die Ausstellungstexte und weitere Informationen anhören. Bitte denken Sie daran, Kopfhörer mitzubringen.
    Links zum Download der JMB App, die Sie sich gerne vorab auf Ihr Telefon runterladen können (es gibt keine Leihgeräte): 
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  • Die Stationen sind in der Ausstellung mit Nummern markiert. Die Nummern sind als gedruckte Ziffern angegeben und nicht tastbar. Wir empfehlen blinden und sehbehinderten Besucher*innen den Ausstellungsbesuch gemeinsam mit einer sehenden Begleitperson.
  • Es gibt eine Station mit tastbaren Audiokassetten. Diese Station ist Teil des Audioguides für blinde und sehbehinderte Besucher*innen in der JMB App.
  • Am 11. Dezember 2025 findet eine Audio-Führung für Blinde und Sehende statt.
  • In der Ausstellung gibt es kein Boden-Leitsystem.
  • Die Ausstellungstexte sind überwiegend visuell kontrastreich gestaltet.
  • Die Ausstellung ist gleichmäßig hell ausgeleuchtet.

Informationen für Besucher*innen mit Hörbeeinträchtigung

  • Die Eröffnung der Ausstellung findet überwiegend in Deutscher Gebärdensprache (DGS) statt: Es gibt sechs Redebeiträge, von denen fünf in DGS übersetzt werden (ein englischsprachiger Beitrag kann leider nicht in DGS übersetzt werden).
  • Für Besucher*innen, die ein bluetoothfähiges Hörgerät nutzen, besteht technisch die Möglichkeit, dieses Hörgerät mit dem Audiosystem der Ausstellung zu koppeln. Dafür werden zwei Komponenten benötigt: ein Bluetooth-Sender/Empfänger (z.B. Typ Ugreen CM403), der mit dem individuellen Typ des Hörgeräts kompatibel sein muss und ein Y-Kabelsplitter Stereo-Audiokabel. Wir bitten die Besucher*innen, diese Komponenten bei Bedarf selbst mitzubringen. Eine Anleitung zur Durchführung der Verbindung ist an der Ausgabestation der Kopfhörer hinterlegt.
  • Es besteht keine Hör-Verstärkung in Form von Induktions-Anlagen und Halsring-Schleifen.
  • Es gibt drei Videos in Deutscher Gebärdensprache (DGS). Sie zeigen ausgewählte Audiosequenzen aus der Ausstellung. Sie sind in der Ausstellung und auf der Webseite zur Ausstellung verfügbar.
  • In der Ausstellung wird ein Video-Interview in deutscher Lautsprache gezeigt. Dieser Film ist auf Deutsch und Englisch untertitelt. Der Film kann auch über YouTube aufgerufen werden.
  • Der Wortlaut aller Audios wird in der Originalsprache als Lesetext angezeigt.
  • Alle Audios werden in deutscher und englischer Übersetzung in der Ausstellung als Lesetext gezeigt.

Informationen für Besucher*innen mit eingeschränkter Mobilität

  • Die Ausstellung ist stufenlos zugänglich.
  • Rollstühle können Sie an der Garderobe kostenfrei leihen. Sie können die Rollstühle vorab reservieren mit einer E-Mail an besucherservice@jmberlin.de.
  • Exponate und Ausstellungstexte sind überwiegend im Sitzen einsehbar und lesbar.
  • Es stehen Sitzmöglichkeiten für ca. 30 Personen zur Verfügung.

Weitere Hinweise

  • Alle Ausstellungs-Texte liegen auf Deutsch und Englisch vor.
  • Es gibt keine Informationen in Leichter Sprache.
  • Die Ausstellung präsentiert ein Audio-Archiv. Der Originalton ist über Kopfhörer hörbar, die in der Ausstellung ausgegeben werden (eigene Kopfhörer können leider nicht genutzt werden).
  • Einzelne Audios enthalten lautere Passagen. Die Lautstärke der Kopfhörer kann individuell durch einen Kippschalter eingestellt werden.
  • Die Ausstellung bietet ruhige Bereiche, die zum Ausruhen genutzt werden können.
  • In der Ausstellung gibt es keine blinkenden Lichter.
  • Es gibt keine lauten Geräusche als offenen Raumton.
Visualisierung einer Tonspur als Waveform (blassrote Amplituden auf schwarzem Hintergrund).

Alle Angebote zur Ausstellung Claude Lanzmann. Die Aufzeichnungen

Über die Ausstellung

Aktuelle Seite: Claude Lanzmann. Die Aufzeichnungen – 28. Nov 2025 bis 12. Apr 2026

Begleitprogramm & Führungen

Ausstellungseröffnung, öffentliche Führungen, Screenings, JMB Buchclub und weitere Veranstaltungen zur Ausstellung – alle Termine im Kalender

Konferenz

Angebote für Gruppen

Siehe auch

Informationen zur Ausstellung im Überblick

  • Wann 28. Nov 2025 bis 12. Apr 2026
  • Eintritt frei
  • Wo Libeskind-Bau EG, Eric F. Ross Galerie
    Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin
    Zum Lageplan

Ausstellungsimpressum

Direktorin

Hetty Berg

Direktion

Lars Bahners (Verwaltung), Julia Friedrich (Sammlung und Ausstellung), Barbara Thiele (Vermittlung und Digitales), Milena Fernando, Mathias Groß, Vera von Lehsten, Eva Weinreich (Direktionsassistenz und -referent*innen)

Kuratorin

Tamar Lewinsky

Projektkoordination wissenschaftliche Edition

Sonja Göthel Knopp

Projektkoordination Ausstellung

Susanne Wagner

FSJ Kultur

Lara Mollenhauer

Ausstellungsleitung

Nina Schallenberg

Sammlungsmanagement

Iris Blochel-Dittrich, Helena Gand, Birgit Maurer-Porat, Valeska Wolfgram (Dokumentation), Ulrike Gast, Petra Hertwig (Registrare), Katharina Wippermann

Restaurierung

Barbara Decker, Stephan Lohrengel, Regina Wellen

Bildung und Vermittlung

Fabian Schnedler, Diana Dressel

JMB di.kla

Ariane Kwasigroch, Heiko Niebur, David Studniberg

JMB App

Henriette Kolb (Projektmanagement) 

DGS Videos

Svenja Gründler (Projektmanagement) 

Eröffnung, Veranstaltungen & Konferenz

Maria Röger, Signe Rossbach, Falk Schneider, Lea Simon, Daniel Wildmann

Website

Dagmar Ganßloser

Kommunikation

Ha Van Dinh, Melanie Franke, Sandra Hollmann, Margret Karsch, Amelie Neumayr

Kommunikationskampagne

buerominimal Berlin

Lektorat

Katharina Wulffius

Rechteklärung

Laura Niederhoff, Fabian Wistuba

Vergabe

Sascha Brejora, Jonas Nondorf

Finanzen

Stefan Rosin

Visitor Experience & Research

Christiane Birkert, Katharina Pilz, Johannes Rinke, Tom Straube

Development & Fundraising

Anja Butzek, Johanna Brandt, Kristin Mayerhofer

IKT

Michael Allen Concepcion, Sebastian Nadler

Gebäudemanagement

Guido Böttcher, Mirko Dalsch, Manuela Konzack

Edition

Übersetzungen

Anna Bodenez, Sandra Chiritescu, Inga Frohn, Kathrin Hadeler, Tatjana Klapp, Jutta Liesen, Lena Müller, Jake Schneider, Valerie Schneider, Sonja Stankowski (SprachUnion), Annette Wunschel, Nicholas Yantian, Sylvia Zirden

Recherchen Edition

Zarin Aschrafi, Yanik Avila, Debby Farber, Arielle Friend, Sonja Göthel Knopp, Lilli Helmbold, Michał Kowalski, Tamar Lewinsky, Susanne Maslanka, Carolin Piorun, Hannah Riedler, Moritz Schmeing, Joanna Sobesto

In Kooperation mit

Oral-History.Digital, Plattform für digitale Zeitzeugen-Interviews

Ausstellung

Klangszenografie

Jascha Dormann, Idee & Klang Audio Design 

Sound System

iart - Studio für mediale Architekturen 

Ausstellungsgestaltung

Fischer Ausstellungsgestaltung 

Grafikdesign Ausstellung

Lena Roob 

Bodengrafik

Oskar Schlüter 

Beratung visuelle Medien

Daniel Finke, Finke Media 

Übersetzungen

Allison Brown, Adam Blauhut, Kate Sturge (Ausstellungstexte)
Jake Schneider (Untertitel Video Interview)
SprachUnion (Untertitel Transkripte) 

DGS Videos

yomma GmbH (Produktion) 

Beratung Audiodeskription

Christine Rieger, Michael Wahl 

JMB App

NOUS Digital, Sprecherin: Johanna Maria Zehendner 

Grafikproduktion

Heerlein Werbetechnik 

Malerarbeiten

Marotzke Malereibetrieb GmbH 

Tischlerei

Richard Maier Möbeltischlerei

Visuelle Medientechnik

Geier Tronic Videotechnik 

Netzwerk

Eidotech GmbH 

Objekteinrichtung

Fissler und Kollegen GmbH 

Licht und Ausstellungswartung

Leitwerk Servicing 

Elektroarbeiten

Apleona GmbH 

Hausmeisterservice

FAM 

Reinigung

Piepenbrock Reinigung GmbH 

Sicherheit

Kötter Security SE 

Dank an

Corinna Coulmas, Dominique Lanzmann, Irena Steinfeldt-Levy

Miriam Goldmann, Martina Lüdicke, Anika Reichwald, Theresia Ziehe und alle Kolleg*innen des JMB für ihre Unterstützung

Sämtliche Audioinhalte der Ausstellung stammen aus der Sammlung Lanzmann des JMB, Schenkung der Association Claude et Felix Lanzmann (A.C.F.L.)

Gefördert durch

Logo: Auswärtiges Amt Alfred Landecker Foundation (Logo)

Die Sammlung Lanzmann zählt zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.

Das Bild zeigt eine weiß-blaue Grafik. Im linken Viertel prangt auf blauem Hintergrund eine weiße Grafik, die wie ein Tempel aussieht, dessen Säulen das Wort "UNESCO" bilden. Rechts davon, im restlichen Teil des Logos, steht in blauer Schrift auf weißem Hintergrund "UNESCO".

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